Emil und Karl by Glatshteyn Yankev
Autor:Glatshteyn, Yankev
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Die Andere Bibliothek
veröffentlicht: 2013-12-31T16:00:00+00:00
Kapitel vierzehn
Am Abend kam ein Mann zu Besuch. Er setzte sich in einen Schaukelstuhl und zog an seiner Pfeife. Als er eine riesige Rauchwolke ausgestoßen hatte, nahm er die Pfeife aus dem Mund und sagte: »Guten Abend«.
Mathilde putzte das Haus und kümmerte sich kaum um den Gast. Leise erklärte sie den Jungen, dass es der Nachbar sei, der Bahnwärter, der in dem kleinen Haus wohne und den durchfahrenden Zügen mit der Fahne Signale gebe.
Emil und Karl waren neugierig und gingen zu ihm hin. Doch dann bemerkten sie den scharfen, unangenehmen Geruch, der von ihm ausging. Seine große Mütze rutschte ihm über die Augen. Er hielt die Pfeife fest zwischen den Zähnen und döste vor sich hin. Ab und zu kam er zu sich und zog hastig an seiner Pfeife, um sie wieder zum Brennen zu bringen.
Hans öffnete die Tür, setzte sich auf die Schwelle und sah hinaus. Ein paar Fliegen schwirrten um die Petroleumlampe auf dem Tisch, an dem sie gerade noch gegessen hatten. Von Zeit zu Zeit stieß Hans sein Lachen aus. Emil setzte sich neben ihn auf die Schwelle und sah ins Dunkel hinaus. Er dachte daran, wie schön es wäre, wenn er jetzt Zug fahren könnte.
Wieder einmal wachte der Bahnwärter auf und zog an seiner Pfeife, doch dieses Mal gelang es ihm nicht, sie wieder zum Brennen zu bringen. Gemächlich kramte und suchte er in seinen Taschen, bis er aus einer ein Streichholz hervorzog. Er rieb es am Schaukelstuhl an, es flammte auf, verlosch aber gleich wieder. Enttäuscht zog er an seiner Pfeife. Plötzlich riss er die Augen weit auf und fragte:
»Wer sind die Kinder?«
»Kinder«, antwortete Mathilde, »brave Kinder.«
»Aha«, antwortete der Bahnwärter, als ob ihm die Information reichte.
»Sie heißen Emil und Karl. Das ist Emil, und der andere Junge ist Karl«, sagte Mathilde und deutete auf sie.
»Ach ja?«, fragte der Bahnwärter überrascht. »Sehr schön.«
»Und du schüttest zu viel in dich rein«, meinte Mathilde. »Irgendwann kannst du das Fähnchen nicht mehr in der Hand halten.«
»Nein, nein, heute habe ich mir kaum die Lippen feucht gemacht.«
»Ja«, entgegnete Mathilde, »das kann man meilenweit riechen.«
»Nun, was wahr ist, ist wahr. Gestern habe ich getrunken. Kumpels haben mich mitgeschleppt und zum Trinken eingeladen. Ich habe ja einen starken Charakter, aber wenn sie eine Flasche Wein auf den Tisch stellen und sagen: ›Trink!‹…«
Karl zitterte am ganzen Körper und setzte sich auf einen Stuhl.
»Hans, mach die Tür zu«, sagte Mathilde, »Karl ist kalt.«
»Nein, mir ist nicht kalt«, sagte Karl, aber schon lief ihm noch ein Schauder durch den Körper.
»Die Nächte sind etwas kühl«, sagte der Bahnwärter. »Und hier ist es kühler als in der Stadt, die Leute kommen her, um sich abzukühlen.«
Hans schloss die Tür und schrie immerzu »Heil!«. Jedes Mal hob der Bahnwärter träge den Arm. Emil setzt sich an den Tisch und zählte die Fliegen, die um die Lampe schwirrten.
Endlich fand der Bahnwärter noch ein Streichholz und zündete schnell seine Pfeife wieder an.
»Als ich so alt war wie die beiden, war das Leben noch gut«, sagte er und wies auf die Jungen. »Das soll nicht heißen, dass es heute ganz schlecht wäre.
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